Schwarwel

Punkrock, Kunst und kauzige Comichelden

Seine Werke hat wahrscheinlich jeder deutsche Staatsbürger zwischen 12 und 40 Jahren schon einmal zu Gesicht bekommen. Seine Arbeit als Haus-Illustrator und Grafikdesigner der »besten Band der Welt« (Die Ärzte) machte ihn landesweit bekannt. Der Leipziger Comiczeichner Thomas Meitsch alias Schwarwel hat aber auch noch mehr zu bieten. Er erfand den Comicantihelden Schweinevogel samt seiner Freunde Iron Doof und Sid, animierte Viedoclips für Good Charlotte, den Killer Barbies und Rosenstolz und gab Low ein Interview.

schwarwel presse01Du warst früher in der DDR in eher branchenfremden Berufen wie Dachdecker und Essensfahrer tätig. Wie kamst Du zum Zeichnen? Bestand schon früher der Traum professioneller Comiczeichner zu werden?

Da es den Beruf des Comiczeichners im Osten nicht gab und wegen imperialistisch-amerikanischer Verbrämung offiziell nicht geben durfte, wollte ich den geheimen Umweg über das diplomierte Fach des staatlich studierten Buchillustrators wählen, da ich bereits in der Schule wusste, daß ich mal was auf dem Gebiet von Hulk und MAD machen wollte. Infolgedessen lernte ich »einen ordentlichen Beruf« (der erste, der auf der Liste meiner verzweifelten Mutter stand) und ging nebenher weiterhin zu diversen Zeichenkursen und Vorpraktika an Hochschulen.
Nach der ehrenvollen Laufbahn eines Fallschirmspringer-Offiziers bei der NVA hätte ich so evtl. an der Leipziger HGB Kunst studieren dürfen, obwohl ich kein Abi hatte, da meine Disziplin-Kopfnote 4 mich nicht zum staatstragenden Abi-Anwärter gemacht hatte.
Bei der Musterung kam ich auf Grund einer Pferdehaarallergie allerdings nicht für die Offizierslaufbahn in Frage.
Die Dachdeckerlehre brachte ich hinter mich und gab am Tag der Auftragsvergabe meine Kündigung ab, weil ich Musik und Comics machen wollte und machte. Also schlug ich mich als Essenausträger bei der Volkssoli und Pinselhalter an den Theaterwerkstätten durch, bis die Wende kam und mich nach Berlin wehte – nackt und blind 😉

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Nach dem Mauerfall agiertest Du aktiv in der Berliner Underground-Musikszene als Grafiker. Erzähl uns von dieser Zeit. Was hast Du dort alles gemacht?

Das Leipziger DDR-Musik-Fanzine Messitsch sollte in Berlin als bundesweites Magazin erscheinen und da der andere Layouter der Gründungsgang nicht wollte, übernahm ich das Layout. Daneben machte ich Poster für den Indie-Club Ecstasy, als Nirvana und Sonic Youth noch kleine Nummern waren.
Später übernahm die Ecstasy-Mannschaft die Neue Welt und wir verpassten ihr mit Huxley‘s Neue Welt ein neues Gewand. Es entstanden Cover und Artworks für Depressive Age, Orgasm Death Gimmick, Depp Jones, Think About Mutation, irgendwelche Ostrock-Sampler etc.
Das ich damals direkt am Metropol und der gegenüberliegenden Rockkneipe Swing wohnte, erwies sich durchaus als strategisch vorteilhaft. Daneben brachten Freunde und ich das Comic-Fanzine Fischmarkt und anderen Quatsch raus, die tollen Nerds vom Groben Unfug gaben mir Gelegenheit, bei ihnen auszustellen und ich betreute Geldverdiener-Jobs wie das kurzlebige Wirtschaftsmagazin Marktwirtschaft.

Du bist auch heute noch als Zeichner und Grafiker mit der Musikszene verbunden. Wie wichtig ist Dir dieses direkte Zusammenspiel von bildender Kunst und Musik?

Uuuhm … Da ich selbst in ein paar Bands rumgehampelt bin, gehörten Optik, Musik und Image für mich immer zusammen.
Durch Mags wie U-Comix, in dem Independents wie Shelton oder Gotlib gefeatured wurden, wurde mir schon als Zoni suggeriert, daß es das freie Punkrock-Leben wirklich geben könnte – Stift in der einen Hand, Jack in der anderen, Kippe im Maul … das geht schon mal ne Weile …
Ramones und Social D. höre ich immer noch – den Alk lass ich weg. Es ist herrlich!
Auch mein inzwischen 15jähriges Arbeitsleben mit Die Ärzte zeugt nicht unbedingt davon, daß ich eine Antipathie gegen Gitarrenrock verspüre, fürchte ich mal. Aber ich steuer immer tapfer mit Mozart gegen.

gwen-300-80Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Die Ärzte?

Bela lernte ich im vorhin erwähnten magischen Dreieck am Metropol am Geldautomaten kennen. Liebe auf den ersten Blick. Er kannte mein erstes Schweinevogel-Heft und brauchte eine Drumkid-Bemalung für Depp Jones. Daraus wurde dann noch eine Backdrop-Aufhübschung, ein Plattencover, das Booklet … you name it.
Schliesslich gabs nen Geheimauftrag zur Restaurierung des Gwendoline-Logos und als die Beste Band der Welt sich aus ihrem selbstgeschaufelöten Grab erhob, hatte ich die Ehre, sie mit flottem Zeichenstift und noch flotterem Grafikrechner zu begleiten – ein Höllenritt bis heute.

 

Du und Bela B. hattet zusammen 10 Jahre lang den Comicbuch-Verlag Extrem Erfolgreich Enterprises (EEE). Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit?

Schwierig ;-)) Am Anfang ist man ahnungslos und voller Elan, die Welt ist groß und geheimnisvoll.
Irgendwann realisiert man dann, wieviel Arbeit das macht und das Comicverlage im Allgemeinen ein sehr zeit- und kraftraubendes Hobby sind – kann man nur bedingt empfehlen. Ein Lottogewinn hilft bei der Bewältigung der kleinsten Sorgen auf jeden Fall.
Daß Bela letztlich die Notbremse gezogen hat, ist sehr weise gewesen. Alleine hätte ich wahrscheinlich so lange weiter gemacht, bis auch der letzte meine Fresse und die miesen Sprüche nicht mehr auf einem Comic Con ertragen hätte und meine eigenen Hefte nur noch aus Beleidigungen der Umwelt bestanden hätten. Das war schon sehr weit im Rock‘n‘Roll-Landschaftsschutzgebiet.

Warum habt ihr den Verlag aufgelöst?

Keine Kraft mehr. Um ein paar geliebte Comichelden unters Volk zu bringen, muß man ein wenig mehr das Geschäft und etwas weniger die Comichelden lieben – was nicht geht, wenn man wie Bela und ich Fan ist und bleiben will. Da hing am Schluss ein ziemlicher Apparat mit vielen Leuten dran, die sehr viel Herzblut vergossen haben, um kleine Schmuddelhefte heraus zu bringen.

Gibt es eine Entstehungsgeschichte zu Deinem Cartoon-Charakter Schweinevogel? Wie bist Du darauf gekommen?

Pffff … 1987 – das war vor zwanzig Jahren. Ich bin mir sicher, daß es da eine Entstehungsgeschichte gegeben haben muß.
Bedauerlicherweise erinner‘ ich mich, mal einen Origin-Story-Comic über ein paar Seiten auf A2 gemacht zu haben, der in den Wendewirren unter die Räder kam – das Ding würde mich echt höllisch interessieren!
Iron Doof jedenfalls hieß erst Fatman – allerdings gabs den Namen schon. Ausserdem war er so dick wie Schweinevogel und so schwabbelig wie Swampie. Aufgrund des Kummers, den er immer hat, ist er jedoch über die Jahre abgemagert und hat sich durch seinen Altruismus den Namen Iron Doof inzwischen redlich verdient.
Ich liebe ihn!

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Du arbeitest gerade an einen Animations-Kurzfilm über Schweinevogel. Erzähl uns etwas darüber.

Der Plan, Schweinevogel zu animieren, existierte schon ewig. Allerdings wusste ich nie so richtig, was der Kerl dann so erleben sollte – sehr gut in den ganzen EEE-Comics nachzulesen, eine Tour de force, einmal Hölle und Zurück.
Als Schweinevogel und ich dann wieder aus der Hölle zurück waren, waren plötzlich auch die Stories da: ganz normale Alltagsgeschichten mit dem Twist von knuddeligen Ungeheuern.
Mit unserer Firma Glücklicher Montag haben wir eine herrliche Werkstatt, in der auch meine/unsere Liebe zum Trickfilm ausgelebt werden kann.
Nach den Trickfilm-Videos für Die fette Elke, Good Charlotte, Rosenstolz etc. fühlen wir uns auch stark genug, Schweinevogel und Co. in den Griff zu bekommen.
Die Tonaufnahmen sind im Kasten und Klasse geworden, die Linetests laufen auf Hochtouren, die Storyboards müssen fertig werden. Der Zug rast derzeit schon ziemlich atemberaubend … hechel.

Was denkt Deine Familie über Deine Kunst?

Alltag versus Kunst – das ist das größte Kunststück. Als Künstler (wobei ich mit diesem Begriff etwas hadern tu) muß man leider ein Ego-Schwein sein und ich bin ständig im Wechselbad der Gefühle – geh ich einkaufen und koch was zu essen oder zeichne ich lieber ein lustiges Tier?
Die Menschen, mit denen ich zusammen lebe, sind auch die mit der ich mein Handwerk teile – das erfordert mit Sicherheit eine hohe Toleranzschwelle, die ich oft genug überschreite.
Bei meiner Sippe wie Mamapapaschwesterneffe geh ich mal davon aus, daß die das schon dufte finden, was ich tue – wenn sie sicher auch nicht so ganz verstehen, wie das alles funktioniert und wozu das gut sein soll. Unterstützung hab ich dafür immer und beinahe uneingeschränkt bekommen. Danke!

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Was war der schlimmste Job in Deiner Tätigkeit als Comiczeichner und Art-Director bisher?

Jetzt gehts ans Eingemachte … Schlimm fand ich noch keine Arbeit – anstrengend ja. Richtig kompliziert sind die Aufträge, die von Menschen mit einer Mission aufgetragen werden – in letzter Zeit waren das Website-Animationen für Meerschweinchen-Liebhaber, Designs für Autositz-Verbequemlicherungen, VW-Bulli-Bus-Animationen, Beatles-Musikschule-Buchillustrationen, Fahrradkurier-Flyer … alles Sachen, die Leuten so sehr am Herzen liegen, daß man schwer erreichen kann, was in deren Vorstellungskraft existiert. Erst recht, wenn das Budget und die Zeit schmal sind.
Aber für diese Herausforderung ist so eine kreative Arbeit da – also immer her damit.

Wo siehst Du die Comic-Kunst in der allgemeinen Kunstwelt? Was denkst Du, welchen Stellenwert hat sie?

Das ist mir herzlich egal.

Du hast Dich in Deinem Lebensweg dem Punk verschrieben. Aus eigenen Erfahrungen ist die Punk-Szene relativ kreativitätsfördernd. Denkst Du, daß der Punk-Rock auch für Dich den Weg als Comiczeichner geebnet hat? Wärst Du ohne die Lebenseinstellung „Punk“ dort wo Du heute bist?

Äääääääääääääh … Mannomann. Punkrock war meistens dabei, als ich die schlimmsten und die besten Erfahrungen meines Lebens gemacht habe.
Und manchmal ist es dann besser, wenn wir uns für eine Weile nicht sehen – Herr Punkrock und ich.
Comics zeichne ich, weil ich Comics zeichne, nicht weil ich Punkrock lebe. Das hängt im holistischen Überbau sicher alles ganz doll zusammen, aber bis jetzt hab ich noch nicht mal ne schlüssige Definition für »Punkrock« gehört, um da irgendwas unterschreiben zu wollen.
»Mach dein Ding und steh dazu« – das hat Bela schon sehr gut auf den Punk gebracht.

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Welches sind Deine favorisierten Künstler?

Inzwischen bin ich in der milden Phase meines Lebens angekommen – da kann ich sehr vielen Dingen Schönes abgewinnen – von Abba bis Zappa, von Adorno bis Zorro, von Auberginen bis Zwetschgen.
Solange Leidenschaft aus den Arbeiten, den Tätigkeiten oder den Liedern springt, kann ich mich für Vieles erwärmen.

Was sind neben dem Schweinevogel-Film Deine aktuellen und zukünftigen Projekte?

Momentan liegt die Jazz ist anders-Albumproduktion mit geplanten Singleauskopplungen und dem ganzen Drum und Dran im Führungskampf mit dem Schweinevogel-Kurzfilm, dicht gefolgt von einem Kochbuch von Iron Doof, diversen Skripts, die animiert werden wollen, eine Vampirdoku, die wir für einen Freund von mir produzieren, die Lipstix brauchen ständig neue Motive, ein Haufen Shirt- und Buchillustrationen – ich mach das, was ich als Knirps immer machen wollte. Zwar zuviel von allem, aber hey!

Internet: www.schwarwel.de

 

Das Interview führte Danny Winkler