Angie Mason

Life Sore Spores

»Jeder sieht sich mannigfaltigen negativen Kräften im Leben ausgesetzt, die sich wie parasitärer Pilzbefall an uns binden. Diese Kräfte wachsen beständig, bilden Sporen, beeinträchtigen uns in unserem Wohlbefinden und ziehen uns runter, wenn wir gegen die Zeit ankämpfen, die uns letzten Endes verschlingen wird. Es ist eine universelle Wahrheit, daß wir alle Gewalt und Negativität in unserem Leben von Zeit zu Zeit bekämpfen müssen. Es ist Teil des Kreislaufes des Lebens.

Life Sore Spores ©Angie Mason 2007Es ist Teil der schneller oder langsamer verlaufenden Zersetzungserscheinungen und hängt davon ab, wie gut wir unserem Überlebenskampf führen. Diese das Leben krankmachende Sporen verpesten unsere Gedanken und infizieren unsere Körper und sind im permanenten Kampf gegen unsere positiven Energien. Diese lindwurmartigen Bedrohungen und parasitäre Fäulnis setzen sich unter unserer Haut fort, teilen ihre Zellen beständig und kreieren neue Probleme, die uns zum Kampf gegen sie antreiben. Sie sind die Krankheit, Traurigkeit und Hässlichkeit der wir im Leben begegnen. Das ist der Krieg der Menschheit den wir alle führen. In jedem wachenden und schlafenden Augenblick unserer Existenz werden wir attackiert. Wir sind alle Soldaten im Kampf gegen Dämonen, die erst an unserem Absterben erblühen.« – Angie Mason.

Merry Vicious and A Happy Blue Tear ©Angie Mason 2007

Angie Mason, geboren 1973 im US-Bundesstaat New Jersey, ist eine Frau der Gegensätze. Seitdem sie die Parsons School of Design 1997 mit einem Bachelor of Fine Arts abgeschlossen hat, hat sie zahlreiche Gemälde und Zeichnungen angefertigt, die man in den seltensten Fällen als »fröhlich« oder »lustig« bezeichnen würde. Doch das erste was einem auffällt, wenn man Angie selbst trifft, ist ihr ansteckendes Lächeln und der Schalk, der in ihren Augen aufblitzt. Im Gegensatz zu ihren (nicht selten weinenden) Tieren, Häusern, Herzen, Zähnen und all den anderen Bewohnern ihrer zunächst bedrückend wirkenden Bilder wirkt Angie wie ein übermütiger Spring ins Feld. Doch schaut man genauer hin, entdeckt man auf jedem Bild auch etwas (tragik)komisches: einen Scherz, einen Hinweis auf ein Licht in der Dunkelheit. So, wie man im Gespräch mit Angie schnell die Schatten in den Ecken bemerkt und ihr übermütiges Äußeres als die andere Hälfte ihrer komplexen und nicht selten problematischen Künstlerpersönlichkeit identifiziert. Und so ist es nicht verwunderlich, daß die kreative Kanalisierung des Chaos der Welt bereits früh eine Rolle spielte für Angie:

»Mein Interesse an Kunst entdeckte ich bereits als kleines Kind. Kunst zu erschaffen war für mich eine Möglichkeit meiner Realität zu entfliehen. Ich schuf mir meine eigene Realität und mein eigenes Universum, um die Welt auf diese Weise zu kontrollieren. Die äußere Welt war so chaotisch und so kreierte ich mir meine eigene, erschuf Charaktere, erweckte sie zum Leben, so wie ich sie sah und integrierte sie in mein Leben.«

Daß du Künstlerin geworden bist, war also eine logische Konsequenz? Würdest du dich selbst als Künstlerin sehen?

»Ich habe selbst nie groß darüber nachgedacht und so würde ich sagen: Ja, ich bin Künstlerin, denn das ist was ich tue. Ich bin aber auch eine sehr visuelle Künstlerin und daher fällt es mir schwer das in Worte zu fassen. Aber ich vermute, es gibt eine kollektive Vorstellungskraft in der Welt und es ist schön ein Teil davon zu sein und meine Charaktere mit einzubringen. Ich mag die Vorstellung ein integraler Bestandteil zu sein und möchte nicht isoliert arbeiten.«

I got what I wanted and now they control me ©Angie Mason 2007

Warum sind die Menschen in deinen Bildern immer allein dargestellt?

»Weil es ein Kampf ist. In meinem eigenen Leben laufen so viele zwischenmenschliche Konflikte ab. Es ist schwer ein Zusammengehörigkeitsgefühl zu finden. In meinen Arbeiten bilde ich daher verschiedene menschliche Kämpfe durch diese ungewöhnlichen Charaktere ab und hoffe, daß sie das weite Spektrum der verschiedensten Emotionen widerspiegeln, durch die wir Menschen alle durch müssen.«

In den meisten deiner Bilder, selbst wenn sie richtig traurig oder negativ erscheinen, gibt es auch immer ein lustiges Detail.

»So wie ich aufgewachsen bin und den Blickwinkel meiner Arbeit festgelegt habe, möchte ich immer die positive und negative Seite gegenübergestellt wissen. Licht und Schatten sollen einander ergänzen Traurige Momente können auch sehr komisch sein. So sehe ich das Leben. Nimm etwas wirklich schreckliches, sieh aber auch immer die helle Seite der Medaille. Ich denke man braucht Humor, um mit wirklich dunklen Sachen klarzukommen. Es ist eine therapeutische Maßnahme und gesund das Licht in der Dunkelheit sehen zu können.«

Angie Mason - Photo von Sevilay Kirmaz

Auch wenn ihre inneren Dämonen manchmal auch zu Skulpturen verarbeitet werden oder Angie trashige kleine Filmchen dreht (z.B. über die »Rotten Tooth Gang«), beginnt der Verarbeitungsprozess zunächst immer in ihren Sketchbooks. Sei es in ihren Träumen oder am Tag, wenn sie gewisse Probleme oder Gedanken zu sehr bedrängen, greift Angie zum Zeichenstift und »bannt« sie im wahrsten Sinne des Wortes auf das Papier.

»Es geht einfach um Probleme, die uns im Leben begegnen und wie sie entstehen, egal was du tust. Sie sind einfach plötzlich da und du mußt lernen mit ihnen umzugehen. Und Malen ist meine Art damit umzugehen und klarzukommen (lacht). In meinen Bildern müssen die Dämonen mit ihren eigenen Dämonen auskommen und das ist mein Weg der Verarbeitung.«

Nachdem Angie Mason 2006 Teil zweier Gruppenausstellungen in Hamburg (»Don’t Wake Daddy« bei Feinkünst Krüger) und Berlin (»Art Attacks« in der Strychnin Gallery) war, fand im Juli (2007) mit »Life Sore Spores« ihre erste Europäische Einzelausstellung in Berlin statt, eine Show, auf die sie über ein Jahr hingearbeitet hatte. Angie, die in ihrem Dayjob als Associate Art Director bei einem Wirtschaftsmagazin (M&C Magazine) arbeitet, lernte die Besitzerin und Kuratorin der Strychnin Gallery, Yasha Young, Ende 2005 über das Internet kennen und die beiden verstanden sich auf Anhieb so gut, daß sie vereinbarten, eine Ausstellung auf die Beine zu stellen. Der Eröffnungstermin wurde auf den Monat genau festgelegt und Angie begann sofort ein neues Skechbook. Nach vorangegangenen Themen wie Häuser (»House Broken«), und Nahrungsmittel (»Delectable Demons«, beide 2006) nahmen die Entwürfe bald eine neue Gestalt an…

Sour Loser (In a Bit of a Pickle) ©Angie Mason 2007

»Bekannte Charaktere werden wiederbelebt. Manche tauchen in verschiedenen Bildern auf und solange der Titel mit dem Konzept der Arbeit übereinstimmt habe ich eine Idee oder ein loses Konzept, wie etwas aussehen sollte. Es sind wesentlich mehr Häuser in den House Broken-Bildern zu sehen, denn ich wollte es nicht zu sehr einschränken. Ich wollte mehr Freiheit, um zu sehen, was in meinem Kopf entstehen kann. Außerdem dachte ich, es würde eine ehrlichere Show werden, wenn ich nicht nur ein spezielles Thema voranbringe, sondern ich weiß, daß die unterschiedlichen Geschichten zum Thema und Titel der Show passen.«

Wählst Du ein Titel bevor Du ein Werk begonnen hast oder wenn es fertig ist?

»Wann immer ich eine Arbeit beginne, fange ich auf meinem Skizzenblock an. Nach ein paar Skizzen, dachte ich »Life Sore Spores« wäre ein schöner Name für den Hauptteil. Und so entwickelt sich alles aus meinen Skizzen heraus, wie eine Blaupause auf der alles weitere aufbaut. Und es gibt noch jede Menge Material in meinem Skizzenbuch das nicht in der Show zu sehen ist. Aber bestimmte Leute sagen: Das muß einfach ein Bild werden! Und wenn man drauf schaut kann man es sich bereits bildlich vorstellen. Ich wähle es aus und male.«

The Royal Pain of Potential Colony Collapse ©Angie Mason 2007

Ist das „Life Sore Spores“- Thema nun vollendet?

»Ich möchte nicht definitiv sagen es sei beendet. Ich denke mit meinem Charakteren, solange sie mit mir leben wird es einen Fortschritt geben. Ich werde sehen, wo sie sich hinbewegen werden. Ich möchte es sich einfach entwickeln lassen und sehen was passieren wird.«

Und auch wir können da nur gespannt sein. Angies nächste Projekte sind eine weitere Soloshow im Oktober (2007) in der Strychnin Gallery in London und zwei Gruppenausstellungen in Hamburg (»Don’t Wake Daddy II«) und Berlin. Und daß sie ihre künstlerische Arbeit für diese Projekte weiterhin nachts und an den Wochenenden anfertigen muß, ist ihr eigentlich ganz recht. Auf die abschließende Frage, ob sie ihren Erfolg an dem Grad misst, in wie weit sie von ihrer Kunst leben kann, entgegnet sie entwaffnend:

»Wir leben in einer sehr materialistischen Welt, alles dreht sich um Wirtschaft und um Geld. Unglücklicherweise ist es so, aber du mußt tun, was du tun mußt, um dein Geld zum überleben zu verdienen. Man muß stetige und beständige Einnahmen haben, um so kreativ als möglich sein zu können. Ich bin schon glücklich, wenn ich meine Charaktere einfach auf die Leinwand bringe und meine eigene Welt und Visionen so dokumentieren und entdecken kann. Allein das zu sehen, heißt für mich bereits Erfolg. Den Mut zu haben, diese Charaktere zum Leben zu bringen, ist besser als sie in meinem Kopf zu belassen (lacht). …Sie sitzen sonst in meinem Kopf und machen mich verrückt!«

Das Interview führte Christian Wölki : Photos von Sevilay Kirmaz

The Seconds Drip As Time Devours Everything ©Angie Mason 2007