Nicoletta Ceccoli

Bittersüße Alpträume

Nicoletta Ceccoli malt nicht nur Kinderbuchillustrationen …

An das Buch, das sie als Kind am liebsten hatte, kann sie sich nicht mehr erinnern, schreibt sie mir. Später liebte sie »Alice im Wunderland« und sie mochte »Pinocchio«. In der Schule lernte sie auch die Bücher des polnischen Illustrators Stasys Eidrigevicius kennen. Sie waren der Grund dafür, daß sie begann sich für Illustrationen zu interessieren.

»Olga« · 2004 Mischtechnik und digital 17 cm x 31 cm von Nicoletta Ceccoli

Nicoletta Ceccoli ist 35 Jahre alt. Sie illustriert Kinderbücher und malt verträumte Bilder. Den Pinocchio gibt es inzwischen auch als Version von ihr, in einer Ausgabe aus Italien. Manchmal bin ich überrascht welche Länder es in Europa gibt. Ich habe von allen gehört. Früher vielleicht. Die ganz kleinen vergesse ich immer wieder. San Marino ist so ein Winzling. Es liegt mitten in Italien.

Der Staat ist eingebettet in einer hügeligen Landschaft, dem Gebirgszug Apennin. Eine märchenhafte Gegend mit einer Burg ganz oben auf dem Felsen. In dieser alten und schönen Republik wohnt und arbeitet Nicoletta Ceccoli.

Ein Buch hat die Aufgabe den Geist und die Sinne der Kinder anzuregen, sie zu überraschen und ihren Horizont zu erweitern.

Sie fing früh damit an Kinderbücher zu illustrieren. Und sie liebt es bis heute. Als sie zu zeichnen begann war sie bereits nah dran an der Kinderwelt – runde Formen, fantasievolle Figuren und fantastische Schauplätze. »Kinder, mit denen ich über meine Arbeit redete, interessierten sich immer besonders für all die kleinen Details meiner Illustrationen«, berichtet mir Nicoletta. »Daher weiß ich, daß ich bei ihnen mit meiner Arbeit viel Interesse erwecken werde.«

»Flora« · 2005 · Mischtechnik und digital · 23 cm x 30 cm von Nicoletta Ceccoli

An einem Kinderbuch ist für sie beides wichtig, eine gute Geschichte und gute Bilder. Nicoletta stellt fest, daß die Beschäftigung mit so einem Buch die erste Gelegenheit für ein Kind ist, mit Kunst in Berührung zu kommen. Sie sagt »Ein Buch hat die Aufgabe den Geist und die Sinne der Kinder anzuregen, sie zu überraschen und ihren Horizont zu erweitern.«

Ihre Illustrationen tauchten in Dutzenden von Büchern auf. Sie illustrierte »Rotkäppchen und der Wolf« für einen englischen Buchverlag, sie zeichnete die Bilder in »The Girl in the Castle Inside the Museum« und gab Rapunzel ein neues Aussehen. Im Jahre 2001 wurde Nicoletta mit dem italienischen Andersen-Preis belohnt. Sie war damit Italiens beste Illustratorin des Jahres. Gelernt hat sie ihr Handwerk auf der Kunstakademie in Urbino, in Italien.

Cover »The Girl in the Castle inside the Museum«

Während ihrer Jahre als Illustratorin hat Nicoletta den Stand in ihrem Genre erreicht, der es ihr ermöglicht in größerer Freiheit zu arbeiten. Sie meint, daß es früher die Aufgabe der Verlage war, den passenden Illustrator zur passenden Geschichte zu finden. Heute kann Nicoletta auch selbst schon mal aussuchen, mit welchem Autor sie am liebsten arbeiten möchte.

Im letzten Jahr arbeitete sie zusammen mit der Autorin Kate Bernheimer an dem Buch »The Girl in the Castle Inside the Museum«, das im Verlag Random House erschien. »Ich glaube, daß dieses Buch mein bisher persönlichstes ist, da ich mich bei der Arbeit mit meinen geliebten Spielzeugen, Puppen und surrealen Schauplätzen befassen konnte – es war das perfekte Projekt für mich«, sagt Nicoletta.

»Girl Dream« · 2006 Mischtechnik und digital 41 cm x 31 cm Illustration aus dem Buch »The Girl in the Castle inside the Museum« von Nicoletta Ceccoli

Die Persönlichkeit in ihrer Arbeit lag ihr schon immer am Herzen. Persönlichkeit, die persönlicher ist als die persönliche Sicht auf eine Geschichte. Auch wenn sie Freiheiten hat ein Buch zu illustrieren, ist sie doch immer an die Geschichte gebunden. Nicoletta vermißte es zeitweise, sich komplett frei ausdrücken zu können: »(…) ich hatte das Gefühl, ich müßte persönlichere Arbeiten machen, Arbeiten, die nicht zu einer Geschichte oder einer Veröffentlichung gehören, die nicht – wie in den letzten 10 Jahren – für Kinder bestimmt sind.«

Neben ihrer Arbeit als Kinderbuchillustratorin ist Nicoletta freie Künstlerin. Ihre persönlichen Bilder werden in letzter Zeit vermehrt in bekannten Kunstgalerien ausgestellt. Die Galerie Roq La Rue in Seattle (USA) präsentierte 2007 eine Einzelausstellung mit Nicoletta Ceccolis Werken. In Berlin zeigte man ihre Arbeiten in der Strychnin Gallery und in Paris bei L’Art à la Page.

»Tree Girl« 2007 Acryl auf Papier 32 cm x 50 cm von Nicoletta Ceccoli

Ich finde, daß auch ihre persönliche Kunst die Handschrift ihrer Illustrationen erkennen läßt. Es sind surreale Bildinhalte mit schwebenden Fischen, Mädchen mit Baumwurzeln und geschlossenen Augen. Diese Bilder illustrieren aber keine Geschichte, die sich ein Schriftsteller ausgedacht hat.

 

Puppenköniginnen, die in merkwürdigen Spielzeugkönigreichen leben.

»Mit meinen eigenständigen Arbeiten drücke ich nur mich selbst aus, meine eigene Besessenheit, meine ›wunderschönen Alpträume‹«, sagt sie. Ihre persönlichen Arbeiten unterscheiden sich von den Kinderbuch-Illustrationen nicht nur durch das, was sie erzählen. Die Grundstimmung ihrer Gemälde ist düsterer und die Farben sind gebrochen. Die tiefe Stille und die Melancholie, die in ihren Bildern ruht, verrät viel über die Person Nicoletta Ceccoli.

»Last Hello« · 2006 · Mischtechnik und digital · 41 cm x 31 cm · Illustartion aus dem Buch »The Girl in the Castle inside the Museum« von Nicoletta Ceccoli

Sie bezeichnet sich selbst als eine scheue und heimliche Person. Das ist, was sie mit ihrer Kunst ausdrücken möchte, verrät sie mir. Als »bittersüße Alpträume« beschreibt Nicoletta mir ihre Bilder, »Puppenköniginnen, die in merkwürdigen Spielzeugkönigreichen leben. Stille Schauplätze mit verstreuten Kreaturen, verstörend einsam in einer düsteren Atmosphäre. Meine Mädchen irren oft verlassen in der Einöde herum mit der Vorahnung einer eisigen Bedrohung.«

Nicolettas Arbeit ist abwechslungsreich, denn sie entdeckt neue Herausforderungen in jedem neuen Projekt und sie weiß sie zu schätzen. Beim Illustrieren von Büchern versucht sie alles mögliche, um sich nicht zu oft zu wiederholen. Deshalb experimentiert sie viel in ihrer Technik und benutzt alles von Acrylfarben bis zum Computer.

»Kleodora« · 2007 Acryl auf Papier 25 cm x 37 cm von Nicoletta Ceccoli

Im Moment arbeitet Nicoletta an einem 3D-Animationsprojekt als Character Designer. Sie sagt, es ist eine spannende neue Erfahrung für sie. Der Regisseur des Projektes ist der französische Musiker und Schriftsteller Mathias Malzieu. Vielleicht ist es zu lange her, als daß Nicoletta sich an ihr liebstes Kinderbuch erinnern könnte – »… aber«, schreibt sie mir »mit der Arbeit, die ich mache, umgeben von all den Kinderbüchern, habe ich das Gefühl ich wäre nie erwachsen geworden.«

Danny Winkler