Vom Wesen der Band
Dan Grzeca ist der Titelblattkünstler vom Low Kunstmagazin Nr. 5.
Er nimmt eine besondere Stellung in Amerikas blühender Rock-Poster-Szene ein. Wenige seiner Kollegen zeigen in ihren Plakatarbeiten solch eine künstlerische Eigenständigkeit wie er es tut.
Dan Grzeca, dessen komplizierter Name die Amerikaner tschetsah aussprechen, lebt und arbeitet in Chicago. Er ist vierzig Jahre alt und stolzer Vater zweier Töchter. Er besitzt ein Diplom in Malerei und Grafik von der Northern Illinois University in DeKalb.
Sein Wirken als Plakatkünstler begann bereits 1992, als er sein erstes Plakat für die letzte Show der Band Tar gestaltete. Bei einer seiner anschließenden Malerei-Ausstellungen ermutigte ihn Bob Hartzell vom Druck- und Designstudio Screwball Press dazu, mehr Plakate zu machen. Das nahm er sich zu Herzen und er begann nach dieser Begegnung tatsächlich eine Menge Plakate zu gestalten und zu drucken.
Viele seiner Arbeiten waren für Jazzkonzerte und die Chicagoer Musikszene. Vor allem für Ken Vandermark gestaltete er einige sehr schöne Siebdruckplakate, aber auch für Szenegrößen wie Peter Brötzmann und Steve Lacy. Später konzentrierte Dan Grzeca sich hauptsächlich auf die Rock-Szene und zeichnete und druckte für die Konzerte alternativer Rockbands wie den Melvins, Shipping News oder Explosions In The Sky.
Allein in diesem Jahr wird er bis zu fünfzig Plakate entwerfen und drucken und ebenso viele Kunstsiebdrucke. Das Konzertplakat und der Kunstdruck rangieren bei Dan Grzeca dicht nebeneinander. Durch das Weglassen der Schriftelemente wird dabei eine Plakatgrafik zu einem Kunstdruck. Aber auch ein Kunstdruck kann bei ihm zum Plakat werden.
Seine Zeichnungen in skizzenhaften Strichen, die sich filigran aus dem Schwarz der Formen winden, verschaffen den Plakaten und Grafiken eine geheimnisvolle Aura und Lebendigkeit. Für diesen Effekt nutzt er meist ein Clayboard eine mit Ton beschichtete Hartfaserplatte als eine Art Kratzplatte, auf die er ganz locker seine Ideen in flächigen Formen tuscht. Anschließend kratzt er die feinen Details aus dem Material heraus.
Diese Technik und die lose Arbeitsweise erzeugt Spannung und Überraschung in seinen Zeichnungen. Die restlichen Farbschichten zeichnet er einzeln auf Transparentpapierbögen. Alle Schichten bis hin zur anfangs entstandenen Zeichnung druckt er nacheinander im Siebdruckverfahren. Bei seinen Plakaten kommen da meist vier bis sechs Farbschichten zusammen, bei den Kunstdrucken schon mal bis zu 15.
Dan Grzecas Bildwelt steckt voller Kuriositäten. In ihr finden sich zum Beispiel Hühner mit Holzdächern oder Häuser mit langen Beinen. »Ich bin nicht sicher, warum die Häuser so bedeutsam geworden sind. Was ich aber sicher sagen kann, ist, daß sie so bald nicht verschwinden werden«, sagt er.
Sein künstlerischer Einfluß ist eher untypisch für moderne Rockposter-Künstler, denn er bezieht sich stark auf die klassische Moderne des letzten Jahrhunderts. Er sagt, er sei ein großer Fan von Max Ernst, Max Beckmann, George Grosz und Jacob Lawrence aber auch von Ed Pashke und den Clayton Brothers.
»Picassos Plakate und Drucke aus den Jahren in Vallauris haben einen besonderen Platz in meinem Herzen. Sie sind so unmittelbar und spontan, gut gemacht und skurril«, fügt er hinzu.
Dan Grzecas Plakate für Musikgruppen beziehen sich immer auf das Wesen der Band und ihrer Musik. Er sagt, daß er die Energie eines Plakates dem Niveau des Konzertes anzupassen versucht. Weiterhin erklärt er, er habe eine Art fortlaufende Erzählung, die er immer wieder abstimmt, je nachdem ob er nun ein Plakat für Mogwai macht oder zum Beispiel eines für Peter Brötzmann.
So entsteht kein einfaches Werbeplakat, das für ein Konzert wirbt sondern ein eigenständiges Kunstwerk, das in enger Verbindung zum Sound der Musiker und gleichzeitig auch zur Persönlichkeit des Plakatkünstlers steht. Dabei gelingt ihm etwas, das die Substanz der Musik intensiver nach außen trägt, als es mit einem gewöhnlichen Werbeplakat möglich wäre.
Danny Winkler