Sangmeister

Knochenjungs und leichte Mädels

Wenn man in der Hansestadt Hamburg sein Dasein fristet, kann die Rauheit der See unweigerlich Einfluß auf diverse Lebenslagen nehmen. Wolfgang Sangmeister lebt und malt in der Hafenstadt. Skelettköpfe und gut proportionierte Frauen, in meist düsterem Schwarzweiß, ist das Sujet von Wolf. Dabei vergißt er aber eins nie – den Witz.

DAN: Stell‘ Dich doch am besten erstmal dem geneigten Leser vor. Seit wann gibt es Dich? Woher kommst Du?

WS: Also, ich bin schon ein wenig länger da, Jahrgang 1959. Ursprünglich komme ich aus Frankfurt am Main.

DAN: Wie lange bist Du jetzt schon in Hamburg ansässig?

WS: Mit Unterbrechungen 15 Jahre.

Aissa

DAN: Hast Du in Deiner Vergangenheit irgendwelche künstlerischen Ausbildungen genossen?

WS: Ja, eine Ausbildung zum Grafik-Designer in Dortmund. Das waren die ersten die mich genommen haben, und so hatte ich das Vergnügen die Punkzeit im Ruhrpott mitzuerleben. Einige aus der Gegend werden sich vielleicht noch an meine Poster und Anzeigen fürs FZW erinnern. Mein Pseudonym war damals AVOVA. Na ja, schön blöd New Wave-mäßig eben.

Kunst für Leute, die keinen Kunstverstand vortäuschen müssen.

Velazquez-AlbtraumDAN: Deine Werke sind oft bizarr, düster und voller Totenschädel. Wie hat sich Dein Stil entwickelt, bzw. woher hat er sich entwickelt?

WS: Da war bei mir schon immer eine Faszination für das Düstere und Makabre. Ich bin extrem behütet und glücklich aufgewachsen, irgendwie auch sehr langweilig, ich hab damals nach allem gesucht was meine Nerven anregt. Als Kind war ich eine zeitlang total lesesüchtig, ich habe die gesamte Frankfurter Bücherhalle durchgelesen! Später wurde das dann vom Interesse an Frauen, Motorrädern und Drogen verdrängt. Jetzt, als alter Sack, lese ich wieder sehr viel.

DAN: Gibt es Künstler die Dich maßgeblich inspiriert haben oder es immer noch tun?

WS: Irgendwie hat mich gerade Frank Frazetta immer und durch alle Lebenslagen hindurch begleitet. Total unterbewertet und als Künstler genial der Mann! Sein klassischer Ahnherr ist Delacroix, den finde ich auch sehr gut. Daß ich mich seit ca. 10 Jahren nicht mehr schäme, mich als Künstler zu bezeichnen, verdanke ich Robert Williams, den ich schon früh durch das Buch aus dem Volksverlag „Die abseitige Kunst des Robert Williams“ kennengelernt habe.

Außerdem mag ich Bosch sehr gerne, natürlich Leonardo da Vinci, Frank Miller und Robert Crumb. Klasse ist natürlich auch die ganze Bildwelt von Giger. Glen Barr . . . also da finde ich jetzt kein Ende, man kann sagen, daß ich sehr viele verschiedene Künstler mag, auch Highbrow-Maler wie Neo Rauch oder Mark Tansey. Noch mehr als stehende Bilder haben mich außerdem immer schon Filme inspiriert, früher alles von Stanley Kubrick, Scorsese, Cronenberg. Peter Jackson macht heute die tollen Sachen, wenn´s um Fantasy geht. Tarantino ist klasse, David Fincher. Außerdem liebe ich die alte deutsche SF-Serie Raumpatrouille.

Ein-knochenharte-Punch

DAN: Wie und wo arbeitest Du? Wann und unter welchen Umständen bist Du am Kreativsten?

WS: Ich hab mir in meiner Wohnung ein Arbeitszimmer eingerichtet. Daß ich zuhause male ist mit einer der Gründe warum ich Acrylfarben verwende, die Ausdünstungen von Ölfarbe nerven irgendwann. Manchmal zeichne ich extra am Küchentisch, das hilft etwas lockerer ranzugehen. Am besten arbeiten kann ich, wenn ich einigermaßen glücklich bin, Ideen kommen mir besonders gut nach vielen Tassen Kaffee.

 

Sangmeister-muede

DAN: Du hast mal gesagt, daß nahezu alles, was heutzutage die etablierten und akademischen Künstler produzieren, purer Mist sei. Diese These hört man oft von Underground- und Lowbrow-Künstler. Wie ist Dein Standpunkt zur Kunst im 21. Jahrhundert?

WS: Da bin ich entspannter als diese Statement vermuten läßt. Das war natürlich erstmal als Provokation gedacht. Tatsache ist, daß man vielen Werken im etablierten, „normalen“ Kunstbetrieb sofort anmerkt, daß sie nur gemacht worden sind, um im Markt zu funktionieren. Auf Gefühl und Ausdruck wird geschissen, Hauptsache Materialwahl und Inszenierung sind irgendwie neu. Alle krampfen sich einen ab, um kunstgeschichtlich relevant zu sein und verpassen die Chance etwas Authentisches zu schaffen.

DAN: Wie schaut die Kunstszene in Hamburg aus? Lowbrow scheint dort etwas mehr ein „Begriff“ zu sein als in anderen Regionen Deutschlands.

WS: Von dem was hier in Hamburg in den renommierten Galerien und Museen passiert, schaue ich mir selten was an, ein Besuch in „Harrys Hafenbasar“ ist da meistens interessanter. Bei dem Scheißwetter werde ich mir die Tage mal Jonathan Meese in den Deichtorhallen angucken, das soll ganz gut sein. Der Mann kann ja nichts dafür, daß er aussieht wie Helge Schneider.
Ich bin viel auf Austellungen in den kleinen Räumen hier auf St.Pauli, natürlich „Feinkunst Krüger“, und seit letztem Jahr gibt´s hier noch die sehr gute „Galerie Linda“. Lowbrow hat in Hamburg nicht viel mehr Bedeutung als z.B. in Berlin. Es gibt hier eine recht breite Cheap-Art Bewegung und viele gute Comiczeichner, das kann man eigentlich alles zur Lowbrow-Art dazuzählen. Genauso wie Tattoos und Graffiti. Eben Kunst, die man auch ohne lange Erklärungen versteht. Da gibt´s hier sehr viele gute Leute, die irgendwas in der Art machen.

DAN: Was ist für Dich das besondere und wichtige an der Idee der sogenannten Lowbrow-Art?

WS: Kunst für Leute, die keinen Kunstverstand vortäuschen müssen.

DAN: Du hast eine Reihe von alten Öldrucken gemacht, die Du mit Totenschädeln manipuliert hast. Erzähl uns etwas darüber.

WS: Diese alten Kaufhausbilder sind auf festem Karton mit Leinwandstruktur gedruckt. Als Malgrund sind die also bestens geeignet, das alte Bild mit einzubeziehen liegt da nahe. Besonders weil man so schöne Kontraste zwischen der ursprünglichen heilen Welt und den kranken Ausgeburten des Künstlerhirns erzielen kann.
Der amerikanische Künstler Anthony Ausgang macht auch sowas, der malt irre Cartoonfiguren in Kitschlandschaften rein. Die Zigeunerinnenbilder sind leider inzwischen zu teuer und zu selten geworden, dafür verziere ich jetzt bayrische Berggemälde mit bösen Fabriken.

Surfing-Pitbull

DAN: Wo hast Du bisher schon überall ausgestellt?

WS: Frankfurt, Hamburg und Berlin. Ich würde gerne mehr ausstellen, also ihr Galeristen da draußen: Bitte melden! Das Losgehen und Ausstellungsmöglichkeiten-Auftun ist halt nicht so mein Ding. Ehrlich gesagt, finde ich es eh effektiver meine Sachen auf ein T-Shirt zu drucken, das sehen viel mehr Leute.

DAN: Lebst Du von Deiner Kunst oder gibt es noch etwas was Du nebenher machst / machen mußt?

WS: Natürlich würde ich gerne nur von meiner Kunst leben, damit verdiene ich aber das wenigste Geld. Glücklicherweis bin ich noch Grafiker und Texter, außerdem Türsteher, Packer und Aussenwerbemonteur. Alles was kommt.

DAN: Gibt es Sangmeister-Sammler? Wie darf ich mir einen typischen Sangmeister-Käufer vorstellen?

WS: Es gibt schon ein paar Sammler, da ich aber nicht in der High Society verkehre, sind das mehr so Leute aus dem Milieu oder vom Film.

Juanita

DAN: Möchtest Du noch etwas der Öffentlichkeit mitteilen? Dann hast Du jetzt noch die Gelegenheit dies zu tun.

WS: Wer nicht gerade geerbt oder im Lotto gewonnen hat, muß mitspielen, man sollte das aber halbwegs mit Würde tun.

Das Interview führte Danny Winkler